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Offener Brief zur unbezahlten Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von Beamt:innen

Sehr geehrter Präsident des Senats, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Bovenschulte,

laut Senatsbeschluss zu den Haushaltseckwerten 2026/27 ist vorgesehen, die wöchentliche Arbeitszeit der Beamt:innen auf 41 Stunden zu erhöhen. Das ist ein Schlag ins Gesicht unserer Kolleg:innen. Und die Art und Weise, dieses einschneidende Vorhaben per Rundfunkdurchsage mitzuteilen, wird von unseren Kolleg:innen als wenig wertschätzend wahrgenommen.

Alle Beschäftigten des bremischen öffentlichen Dienstes, seien sie Beamt:innen oder Arbeitnehmer:innen, sind bereits jetzt mit einer hohen Arbeitsbelastung konfrontiert. Eine weitere Erhöhung der Anforderungen wird deshalb auch dazu führen, dass mehr Kolleg:innen mit ihrer Gesundheit für die Kürzungspolitik bezahlen. Deshalb ist die Erhöhung der Arbeitszeit aus unserer Sicht mit der Fürsorgepflicht nicht zu vereinbaren. Zudem stellt sich die Frage, ob die angeblich angestrebten Haushaltsentlastungen so überhaupt erreicht werden können.

Es macht uns fassungslos, dass ein rot-grün-roter Senat unter Rückgriff auf vordemokratische, einseitig dem Dienstherrn zugewiesene Möglichkeiten die Arbeitsbedingungen zu Lasten der Kolleg:innen umgestalten will. Ausgerechnet dieser Senat kehrt sich damit vom erkämpften und wissenschaftlich belegt sinnvollen Achtstundentag ab.

Der Verweis auf den Bund und einige andere Bundesländer, die die wöchentliche Arbeitszeit der Beamt:innen ebenfalls auf 41 Stunden festgesetzt haben, führt nicht weiter. Ein Irrweg wird nicht dadurch richtig, dass andere ihn auch schon eingeschlagen haben. Unterschlagen wird, dass andere Bundesländer längst auf Arbeitszeitverkürzung setzen, um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Zudem erzeugt der punktuelle Blick auf die Arbeitszeit ein schiefes Bild: Das Besoldungsniveau ist beispielsweise beim Bund höher, zudem gelten dort günstigere beihilferechtliche Regelungen. In einzelnen Bundesländern, beispielhaft sei Schleswig-Holstein genannt, sowie im Bund, wurden zusätzlich Ausnahmeregelungen zugunsten reduzierter Wochenarbeitszeiten getroffen. Bremens Beamt:innen haben bereits jetzt im Bundesvergleich sehr ungünstige Bedingungen. Es kann nicht im Interesse der Freien Hansestadt Bremen sein, auch noch bei der Arbeitszeit besonders unattraktive Bedingungen zu bieten.

Seit Jahren hören wir von Bürokratieabbau, von der Verschlankung von Prozessen, von den großartigen Möglichkeiten der Digitalisierung. Tatsächlich kommt der Senat mit all diesen Themen lediglich schleppend voran. Mit der Erhöhung der Arbeitszeit lenkt der Senat jetzt von diesem Unvermögen ab und will sich von den Kolleg:innen die Kohlen aus dem Feuer holen lassen.

Mit dem im letzten Jahr vom Senat beschlossenen Sanierungsprogramm hat der Senat erneut die pauschale Personalkürzungsquote von 1,45 % für viele Bereiche des bremischen öffentlichen Dienstes, vor allem in der allgemeinen Verwaltung, auf den Weg gebracht. Der Gesamtpersonalrat hat diese Delegation der Verantwortung für Kürzungen auch mit Blick auf die schlechten Erfahrungen mit dem Personalentwicklungsprogramm (PEP) kritisiert. Unsere Befürchtung war und ist, dass solche Kürzungen letztlich nur durch eine schlechtere Dienstleistungsqualität und höhere Belastungen für die Kolleg:innen erkauft werden können. Genau dies bestätigt der Senat jetzt mit seinem Plan, die Arbeitszeit zu erhöhen.

Für die Kolleg:innen wird sich die Erhöhung der Arbeitszeit zudem als Besoldungskürzung auswirken. Kolleg:innen in Teilzeit, die sich z. B. auf Grund von Care-Arbeit nicht in der Lage sehen, ihre Arbeitszeit entsprechend zu erhöhen, werden bestraft. Für einen Senat, der eigens eine Senatskommission für Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt hat, ist das ein erbärmliches Ergebnis.
Einkommenseinbußen drohen auch vielen vollzeitbeschäftigten Kolleg:innen, insbesondere bei der Polizei. Für sie wird sich die Arbeitszeiterhöhung dahingehend auswirken, dass Mehrarbeitsstunden plötzlich als reguläre Arbeitsstunden erscheinen und damit nicht mehr gesondert ausgezahlt werden können. Besonders befremdlich finden wir die Arbeitszeit-erhöhung vor dem Hintergrund, dass der Senat erst vor wenigen Wochen entgegen dem klaren Spruch der Einigungsstelle beschlossen hat, die Einführung der Arbeitszeiterfassung an Schulen nochmals aufzuschieben. Damit wird ein seit Jahren als rechtswidrig bekannter Zustand fortgeschrieben. Es ist davon auszugehen, dass Lehrer:innen bereits heute ein hohes Maß an Mehrarbeit leisten. Und on top kommt jetzt die 41-Stunden-Woche.

Mit der ebenfalls vorgesehenen Streichung des zweiten Beförderungsstichtags manifestiert der Senat ein weiteres Mal einen Mangel an Wertschätzung für die Arbeit der Kolleg:innen. Die aus Sicht des Gesamthaushalts überschaubaren finanziellen Auswirkungen dieser geplanten Maßnahme stehen in einem krassen Missverhältnis zu dem Schaden, der damit angerichtet wird. Wir erwarten, dass der Senat von seinem Vorhaben, die Wochenarbeitszeit der Beamt:innen zu erhöhen, Abstand nimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Lars Hartwig
Vorsitzender GPR Bremen