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Öffentlicher Drogenkonsum trotz Konsumraum?

VerÄNDERUNGEN - HerausFORDERUNG für die Suchthilfe

Es gibt viele Dienststellengebäude rund um den Hauptbahnhof. Der Weg ins Büro führt die Kolleg:innen täglich an Menschen aus der Drogenszene vorbei. Ende Januar 2022 hat der Bremer Senat einen Aktionsplan verabschiedet, der die öffentliche Ordnung und Sicherheit rund um den Bahnhof verbessern soll. Viele Beschäftigte fragen sich, warum immer noch so viel Drogenkonsum in der Öffentlichkeit zu beobachten ist.
Als Betriebliche Suchtkrankenhelferin nahm ich im Rahmen der Aktionswoche Sucht am Fachtag „VerÄNDERUNGEN - HerausFORDERUNG für die Suchthilfe“ teil. Der Vortrag von Lea Albrecht, Leiterin des Drogenkonsumraums der Comeback gGmbH in Bremen, gab mir dort Antworten:
"Der öffentliche Konsum von illegalen Substanzen ist weder förderlich für ein attraktives Stadtbild, das subjektive Sicherheitsempfinden der Reisenden, noch für die Konsumierenden selbst hygienisch optimal praktizierbar. Somit besteht sowohl von Seiten der Bürger:innen als auch von der Drogenhilfe der Wunsch ein passendes Angebot für diese Menschen vorhalten zu können.
Um Drogenkonsumierenden einen sicheren Ort für Aufenthalt und Konsum zu bieten, wurde 2019 eine Machbarkeitsstudie von der Stadt Bremen beauftragt, welche sich explizit mit der Frage nach einem Drogenkonsumraum auseinandersetzte. Die Studie kam im zu dem Ergebnis, dass Bremen im Verhältnis zur Einwohnerzahl die höchste Anzahl (knapp 4000) an opioidabhängigen Menschen im Bundesvergleich aufweist. Ein Drogenkonsumraum in Bremen für bis zu 600 Menschen könnte laut Studie ein nutzbares Angebot sein.

Im September 2020 wurde daher Bremens erster offizieller Drogenkonsumraum, das „ARA“ genannt, neben dem „Papageienhaus“ eröffnet. Drogenkonsumräume sind ein fachlich anerkanntes und evaluiertes Angebot um das Überleben von konsumierenden Menschen zu sichern und zu verbessern. Dort können selbst mitgebrachte Drogen unter hygienischen Bedingungen konsumiert werden. Darüber hinaus gibt es medizinische Angebote (zum Beispiel Aufklärungen über Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis) und Angebote von Sozialarbeiter:innen (wie Hilfe bei Anträgen vom Jobcenter oder von Krankenkassen). Hier wird verhindert, dass Menschen im Falle einer Überdosierung keine Hilfe erhalten und im schlimmsten Fall versterben.
Leider ist die Beschwerdelage über öffentlichen Konsum, Handel sowie Szeneansammlungen rund um den Hauptbahnhof unverändert hoch. Insbesondere der Crackkonsum (rauchbares Kokain) ist seit 2018 in einem Ausmaß angestiegen, welches nicht absehbar war. Damit einhergehend sieht man eine massive Verwahrlosung der Menschen. Es gibt in Bremen eine große offene Drogenszene. Das „ARA“ wird allerdings gleichzeitig hervorragend angenommen und die Zahl der laut Studie veranschlagten 600 Klient:innen ist bereits weit überschritten! Die provisorisch bereitgestellten Kapazitäten in Containern mit 4 Plätzen für den intravenösen und 2 Plätzen für den inhalativen Konsum sind häufig ausgelastet und es kommt zu Wartezeiten.
Die Einrichtung des Bremer Drogenkonsumraums war längst überfällig. Nun, da dieser betrieben wird und seine Auslastung hoch ist, muss das Angebot weiter optimiert und ausgebaut werden. Daher ist angestrebt, die Anlaufstelle der Comeback gGmbH am Hauptbahnhof (hier gibt es offene Beratungsangebote, einen Cafebereich, eine Kleiderkammer, eine medizinische Ambulanz, die Möglichkeit zu Duschen und zu Waschen sowie die Überbrückungssubstitution) mit dem Drogenkonsumraum zusammen zu legen. Dieser Umzug muss so schnell wie möglich realisiert werden, damit die Klient:innen bestmöglich versorgt werden können. Zudem bedarf es auch öffentlicher Toleranzflächen, an denen es ihnen erlaubt ist, sich aufzuhalten, ohne als Störfaktor wahrgenommen und von Ordnungsbehörden verdrängt zu werden. Auch drogenkonsumierende Menschen gehören zur vielfältigen Gesellschaft unserer Stadt dazu. Wir müssen ihnen Orte bieten, die ihren Bedarfen entsprechen und adäquate Angebote vorhalten. Nur so kann sich die Beschwerdelage entspannen."

Ivonne Weinhold

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