Sie sind hier:

Mumien nicht in Sicht

Die Landesarchäologie im Interview mit Andreas Strassemeier

Restauratorin Tanja Töbe bei der Arbeit an einem antiken Bierglas
Restauratorin Tanja Töbe bei der Arbeit an einem Keulenglas aus dem 15. Jahrhundert. Bei dem Keulenglas handelt sich um ein Bierglas, welches aktuell restauriert wird. Bei der Ausgrabung im Jahre 2006 wurden 15 Keulengläser, mehrere Krautstrünke, Glasschalen und ein Urinal aus einem Kloakenschacht an der Carl-Ronning-Straße (ehemaliges „Stern Kino“) geborgen.

MUMM: Die Landesarchäologie ist eine kleine Dienststelle mit hoch interessanten Aufgaben. Wie sehen diese Aufgaben konkret aus?
Dr. Dieter Bischop: Wir pinseln nicht Mumien oder Schätze aus dem Wüstensand frei und finden keine griechischen Statuen in antiken Ruinenstädten. Wir sind für den Schutz der untertägigen Kulturdenkmäler im Land Bremen zuständig. Wir schützen die Hinterlassenschaften der menschlichen Kultur, das heißt die Spuren derjenigen Menschen, die vor uns im Gebiet des heutigen Bundeslandes gelebt haben. Sind die Spuren in der Erde durch Bauprojekte bedroht, müssen wir sie ausgraben und wissenschaftlich erforschen. Zu reinen Forschungsgrabungen kommen wir aber quasi nie. Wir sind meist mit der Beauflagung und Kontrolle von Bauvorhaben, Verhandlungen mit Bauherren/Investoren, Planung, Durchführung und Auswertung von archäologischen Ausgrabungen voll ausgelastet. Wir selbst können aufgrund des sehr geringen Personalstammes (sieben Beschäftigte) nur kleinere Grabungen vornehmen. Alle größeren Projekte müssen Grabungsfirmen durchführen. Die Funde aller Grabungen werden bei uns, soweit möglich, restauriert, konserviert und magaziniert. Die Funde werden bei Gelegenheit der Öffentlichkeit präsentiert, etwa im Focke Museum oder im Dom-Museum. Derzeit sind einige Aufsehen erregende Funde in Berlin in der Ausstellung "Bewegte Zeiten - Archäologie in Deutschland" zu sehen. Ein Ziel ist auch die Digitalisierung von Daten in einer archäologischen Datenbank für interne Bearbeitung und auch überregionale Forschung. Abgesehen von Darstellung in Presse, Radio oder TV sind wegen Geldmangels genauere Aufarbeitungen bzw. Veröffentlichungen der Ausgrabungen kaum möglich
MUMM: Unter welchen Arbeitsbedingungen habt ihr diese vielfältigen Aufgaben zu erledigen?
Jan Geidner: Die vielen Baustellen in Bremen und Bremerhaven führen für den Archäologen und Grabungstechniker zu extremer Arbeitsverdichtung, die sich auch in weiteren Bereichen, wie Verwaltung, Fundaufarbeitung, Restaurierung, Funddokumentation und wissenschaftliche Auswertung widerspiegelt.

Tanja Töbel zeigt in einem Karton Keramikteile
Die Landesarchäologie unterhält ein umfangreiches Magazin von Fundstücken. Tanja Töbe zeigt hier Keramikteile, die bei den Bauarbeiten auf dem Teerhof gefunden wurden.

MUMM: Was schätzt ihr an eurer Arbeit?
Tanja Töbe: Unsere Aufgabengebiete sind sehr abwechslungsreich und durch neue Herausforderungen und Problemstellungen gekennzeichnet, wie etwa draußen auf der Ausgrabung wie auch in der Dienststelle z. B. die Bereiche Restaurierung, die wissenschaftliche Auswertung und Öffentlichkeitsarbeit. Durch langjährige Kooperationen mit verschiedenen Institutionen im In- und Ausland und durch die verstärkte Vernetzung mit naturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen werden spannende Einblicke und Ergebnisse gewonnen. Zu meinen Aufgabengebieten gehören Konservierung und Restaurierung unterschiedlichster Objekte, Fundinventarisation und präventive Konservierung. Besonders interessant sind Ausstellungsvorbereitungen und Kurierbegleitung für Ausstellungsprojekte wie aktuell auch in Berlin oder die Zusammenarbeit mit der Hochschule für Textilrestaurierung in Köln, aus der bereits mehrere Bachelorarbeiten hervorgegangen sind.
MUMM: Was empfindet ihr als besonders belastend?
Dr. Dieter Bischop: Das erhöhte Arbeitsvolumen durch vermehrtes Bauaufkommen im letzten Jahrzehnt und die Ausweitung der Zeitepochen auf "Archäologie der Moderne" (aktuell Arbeitslager Gröpelingen), verbunden mit dem geringen Personalstamm, bringen uns an unsere Grenzen. Die dringend benötigten Grabungsarbeiter- und Bibliothekarstellen sind seit Jahren nicht besetzt.
MUMM: Was wäre für euch hilfreich und unterstützend?
Tanja Töbe: Die Besetzung dieser Stellen und Schaffung von Volontär-, Projekt- bzw. Drittmittelstellen könnten eine spürbare und dringend notwendige Arbeitsentlastung schaffen.
MUMM: Seit langer Zeit habt ihr keinen örtlichen Personalrat und werdet vom Gesamtpersonalrat vertreten. Ihr möchtet jetzt einen eigenen Personalrat wählen. Was sind eure Beweggründe, aktiv zu werden?
Jan Geidner: Direkte Einflussnahme im Personalrat im Hinblick auf die Interessen der Landesarchäologie und ein eigenes Sprachrohr für die Kolleginnen und Kollegen.

Andreas Strassemeier