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Rettet den Sündenbock

Macchiavelli hätte das Bremische Personalvertretungsgesetz erfunden

Foto der Statue von Niccolò Macchiavelli
Niccolò Macchiavelli lebte vom 3. Mai 1469 bis 21. Juni 1527 (Foto: gemeinfrei/pixabay.com)

Der große Staatsphilosoph der Renaissance, Niccolò Macchiavelli, wird hierzulande meist etwas einseitig abgehandelt. Zugeschrieben wird ihm die Lehre, ein Fürst müsse gefürchtet werden, um seine Herrschaft auf eine solide Basis zu stellen. Weniger Beachtung findet hingegen seine durchaus gleichrangige Forderung, er müsse sich auch darum kümmern, von seinem Volk geliebt - oder wenigstens nicht gehasst - zu werden.

Ziegenbock (Foto: gemeinfrei/pixabay.com)

Diese Einäugigkeit ist sehr bedauerlich. Denn nachdem rechtsstaatliche Regeln dem Fürchten gewisse Grenzen gesetzt haben, folgt das Handeln der meisten Politiker_innen heute überwiegend der zweiten Forderung - allerdings anscheinend zunehmend intuitiv, reflexhaft und unbewusst.
Eine nicht nur in der Politik übliche Methode, sich die Gunst anderer zu erhalten, besteht darin, die Verantwortung für irgendwelche Missstände von sich zu weisen und anderen - Ereignissen, Personen oder Institutionen - zuzuschreiben.
Nehmen wir zum Beispiel mal das Bremische Personalvertretungsgesetz und die Personalräte. Wenn im bremischen öffentlichen Dienst etwas nicht so läuft wie es wünschenswert wäre, wenn Bürger_innen sich beschweren und die Medien das genüsslich aufgreifen, dann kann die Politik sich glücklich schätzen, mit den Personalräten eine Herde institutioneller Sündenböcke (caper piacularis bremensis) zu haben. Irgendein Mitbestimmungsverfahren wird sich schon finden, an dem die ansonsten unvermeidlich eingetretene durchgreifende Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen gescheitert sein muss.
Und der Sündenbock? Der trägt all das, was ihm da aufgeladen wird. Auch ihm ist es eine Last, doch meckert er wenig. Er weiß, wenn ich es nicht trage, dann sucht die Politik andere Schuldige, zuallererst die Bediensteten, die bestimmt nur nicht hart genug arbeiten. Das tun die aber doch, und sie finden es nicht lustig und schon gar nicht motivierend, wenn der Arbeitgeber was anderes sagt.
Zunehmend wird jedoch in der Politik Reflektion durch Reflex ersetzt, und bei Italien denken moderne Politiker_innen nicht mehr an Machiavelli, sondern an kulinarische Genüsse, zum Beispiel an eine leckere Ziegenkeule. Und so wollen sie dem Sündenbock die Hinterbeine ausreißen. Ob der dann noch was tragen kann?

Burkhard Winsemann