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Leben mit einem Ein-Euro-Job

Im Gespräch: Gerd Rasche

Gerd Rasche mit Wiltrud Sossna im Gespräch
"Als Ein-Euro-Jobber hatte ich nicht einmal einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, das ich für künftige Bewerbungen aber benötige."

„Ich arbeite derzeit im Schulverein der Grundschule Landskronastrasse in Marßel in einer Arbeitsgelegenheit nach der Entgeltvariante* mit 1.200 € brutto monatlich. Ich betreue Grundschulkinder im EDV-Bereich (Umgang mit der Technik und den Programmen), helfe in der Verwaltung, als Hausmeister - als Mann für alles.
Ich bin gelernter Einzelhandelskaufmann und habe eine Umschulung zum Netzwerkadministrator gemacht. Leider habe ich keine Arbeit gefunden.
Seit 2007 hatte ich bereits vier Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten* mit jeweils 35 Stunden wöchentlich absolviert. Unter anderem in der Wilhelm-Wagenfeld-Schule, dort habe ich die gleiche Arbeit wie der Netzwerkadministrator gemacht. Das ist an dieser Schule eine notwendige Aufgabe, die unter regulären Bedingungen gut bezahlt wird. Meine Arbeit ist mehr wert als dieser Ein-Euro-Job. Die direkte Zusammenarbeit mit den Kollegen war gut. Ich habe mich akzeptiert gefühlt. Aber die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen waren sehr unterschiedlich. Meine Rechte als Arbeitnehmer wurden mir genommen. Ich bekam keinen Arbeitsvertrag, keinen bezahlten Urlaub und bei Krankheit entfiel der zusätzliche eine Euro. Ich hatte keinen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, das ich aber für meine künftigen Bewerbungen benötige. Und ich durfte auch nicht streiken. Von der Schulleitung wurde ich ständig kontrolliert. Qualifizierte Fortbildungen, die ich für mein berufliches Weiterkommen benötige, wurden mir nicht angeboten. Perspektiven für eine Weiterbeschäftigung wurden mir nicht vorgeschlagen. Ich wurde hingehalten und vertröstet.
Meine jetziges Arbeitsverhältnis in der Entgeltvariante* bietet mir mehr Sicherheit. Ich bin besser sozial abgesichert. Ich werde akzeptiert. Die Arbeit mit den Kindern macht mir Spaß. Außerdem sind mir die Kontakte wichtig. Ich bin froh, dass mir jetzt endlich ein richtiges Gehalt auf mein Konto überwiesen wird. Ein regelmäßiges Gehalt macht mehr Eindruck. Bisher gab es immer die Überweisungen der BAgIS und die Mehraufwandsentschädigung der Ein-Euro-Jobs. Dieses Abrechnungsverfahren finde ich diskriminierend. Ich hatte oft Panik, dass die Bank dies als Erwerbseinkommen nicht akzeptiert und mir meinen Dispo streicht, obwohl ich ganztags arbeitete.
Ich habe einen Sohn von 13 Jahren und der wünscht sich natürlich auch ab und zu mal etwas Neues. Da komme ich schon in Schwierigkeiten mit meinem Einkommen und der unsicheren beruflichen Perspektive.
Um über die Runden zu kommen betreibe ich ein Nebengewerbe von 15 Stunden wöchentlich. Damit erhöht sich meine wöchentliche Arbeitszeit auf über 50 Stunden. Das ist mir wichtig, weil es eine kleine Sicherheit bietet.
Nach neun Monaten, das ist Ende Januar 2010, läuft leider mein Arbeitsverhältnis in der Entgeltvariante aus. Mir fehlt die Sicherheit, dass es beruflich für mich weitergeht. Eine Weiterbeschäftigung kann man mir zur Zeit nicht versprechen. Meine jetzige Tätigkeit macht mir Spaß. Ich würde gerne dort weiter arbeiten. Ich wünsche mir eine Festanstellung mit einem regelmäßigen Gehalt und sozialen Abgaben in die Renten- und Arbeitslosenversicherung.“

Aufgeschrieben von Wiltrud Sossna