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Tarifvertrag für alle!

Ungleichbehandlung schafft Unfrieden

Die Verwirrung ist groß: Der neue Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) gilt beim Bund und bei den Kommunen. Bei den Ländern gilt er nicht. In Bremen findet er nur dort Anwendung, wo bisher das Tarifrecht der ArbeiterInnen galt. Bei den übrigen Beschäftigten gibt es eine chaotische Situation: Für die „alten“ Angestellten gilt der BAT wie bisher mit 38,5 Stundenwoche und Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die „Neuen“ bekommen je nach Einstellungsdatum gar keine oder verringerte Sonderzahlungen, dafür „dürfen“ sie aber 40 Stunden in der Woche arbeiten. Und auch die BeamtInnen haben die 40 Stundenwoche und sollen künftig nur noch bis zur Besoldungsgruppe A8 ein kleines Weihnachtsgeld von 420 Euro bekommen.
Die Ziele der Arbeitgeberseite sind klar! Unsere aber anders: Wir wollen angemessene und einheitliche Bezahlung und Arbeitsbedingungen für alle. Deshalb ist der TVöD so wichtig: Er schafft die Unterscheidung zwischen Angestellten und ArbeiterInnen ab. Das sorgt für Frieden im Betrieb. Die Behauptung der Arbeit-geberseite, der neue Tarifvertrag würde den Kostenrahmen sprengen, ist schlicht falsch, denn das Tarifergebnis ist mehr als moderat. Es geht darum, das Bezah-lungs- und Arbeitszeitchaos zu beenden. Der TVöD muss auch für den Angestell-tenbereich im Lande Bremen gelten, und die Ergebnisse müssen inhaltsgleich auf die BeamtInnen übertragen werden. Gleichbehandlung ist gefragt, nicht Spaltung. Nachstehende Beispiele zeigen, wie sich das gegenwärtige Chaos auswirkt.

Peter Garrelmann

Hans-Georg Niemann (53) ist Polizeioberkommissar im Polizeirevier Findorff:

„Wir Beamtinnen und Beamten werden schon seit Jahren von der Tarifentwicklung abgekoppelt. Zuerst die Erhöhung der Arbeitszeit, dann die Kürzung und demnächst die fast vollständige Streichung der Sonderzahlungen. Und dazu soll noch die Altersgrenze im Vollzugsdienst auf 65 Jahre erhöht werden. So kann es nicht weitergehen! Wir wollen keine Beschäftigten zweiter Klasse sein, deren Arbeitsbedingungen und Bezahlung nach Gutsherrenart verordnet werden. Der TVöD muss auch Maßstab für die Besoldung sein.“

Nadia Makhali (29) ist Referendarin an der Integrierten Stadtteilschule Am Leibnizplatz:

„Bei den Lehrkräften sollen die Neueingestellten in Zukunft schlechter bezahlt werden. Für die Primarstufe und die Sekundarstufe I ist die Absenkung der Eingangsbesoldung von der Besoldungsstufe A 13 auf A 12 geplant. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat der Senat beschlossen, dieser soll demnächst in der Bremischen Bürgerschaft verabschiedet werden. Auch ich werde von dieser Regelung betroffen sein, wenn ich in Bremen eine Stelle bekomme.“

Auszubildende in der Ausbildungsgesellschaft Bremen mbH:

„Ich gehöre zu den 185 Auszubildenden, die zum 1.9.2005 nicht mehr im öffentlichen Dienst sondern bei der Ausbildungsgesellschaft Bremen eingestellt werden. Ich bekomme eine wesentlich geringere Ausbildungsvergütung, schaue bei Weihnachts- und Urlaubsgeld zu und darf dafür aber länger arbeiten. Eine betriebliche Vertretung durch einen Betriebsrat habe ich nicht. Ob es noch soweit kommt, dass die Lehrlinge ihr Lehrgeld mitbringen müssen?“

Sonja Buchwald (24) ist Erzieherin im Horthaus Friedrich-Klippert-Straße:

Z. Zt. bin ich bis zum 31.7.2005 befristet mit 22,75 Stunden pro Woche eingestellt. Ob es in 2005 wieder einen Anschlussvertrag für mich gibt, ist nicht sicher. Letztes Jahr kam der rettende Anruf für die befristete Weiterbeschäf-tigung erst im letzten Moment.
Mein Nettoeinkommen liegt bei ca. 780 Euro; wegen der Senatsentscheidung vom Oktober 2004 habe ich nur noch ein halbes Weihnachts- und gar kein Urlaubsgeld mehr. Im November wurde mir zwar das volle Weihnachtsgeld gezahlt, zwei Wochen später kam aber die Mitteilung, dass ein Teil davon wieder abgezogen wird.
Außerdem wirkt sich die beschlossene Arbeitszeiterhöhung auf 40 Wochenstunden bei Teilzeitkräften auch auf das Gehalt aus: Die Bezüge werden anteilmäßig gekürzt. Insgesamt bedeutet dieses eine Reduzierung meines Einkommens um ca. 9 %, das sind im Monat ca. 70 Euro weniger.
Ich bin Erzieherin geworden, weil mir die Arbeit mit Kindern sehr viel Spaß macht. Aber es ist kein Hobby, es ist mein Beruf und ich muss von meinem Verdienst leben. Ich wünsche mir ein unbefristetes Arbeitsverhältnis und dass der Tarifvertrag für alle übernommen wird, damit wieder jeder für gleiche Arbeit auch gleiches Geld erhält.

Nina Leier (20) und Sigmar Hesse (20) sind VermessungstechnikerIn bei GeoInformation Bremen:

Wir haben eine dreijährige Ausbildung zum/zur VermessungstechnikerIn im Herbst 2004 beendet. Hier bei GeoInformation Bremen sind wir zur Zeit mit der Herstellung der Automatisierten Liegenschaftskarte (ALK) beschäftigt. Wir sind zwar nach der Ausbildung übernommen worden, haben aber nur einen befristeten Arbeitsvertrag erhalten, der 2007 ausläuft. Wir hoffen, dass wir im Anschluss eine unbefristete Anstellung hier bei GeoInformation bekommen werden. Zur Zeit sind wir außerdem zu schlechteren Bedingungen als unsere anderen KollegInnen beschäftigt: 40 Stundenwoche, kein Urlaubsgeld und erheblich reduziertes Weihnachtsgeld. Wie geht es in der Zukunft weiter? Weiterbeschäftigung, Studium oder Arbeitslosigkeit?“