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Hartz IV bisher keine Erfolgsstory

Frust bei allen Beteiligten

Am 1.1.2005 ist das neue Sozialgesetzbuch II (SGB II) in Kraft getreten. Seitdem wird für alle erwerbsfähigen Personen die zusammengefasste Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe (ALG II) auch organisatorisch „aus einer Hand“ gezahlt. Dies wird verbunden mit einer intensiven und umfassenden Betreuung der LeistungsempfängerInnen, was zu neuen Arbeitsverhältnissen und zur Verringerung der Arbeitslosigkeit führen soll.
Abgesehen von der inhaltlichen Bewertung stellt sich die Frage, wie in Bremen die organisatorische und praktische Umsetzung dieses „Reformwerkes“ bisher gelungen ist. Wie andere Kommunen hat Bremen eine „Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales“ (BAgIS) als organisatorisches Konstrukt gewählt, in das
-trotz formalrechtlicher Bedenken- in aller Eile Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Sozialhilfeabteilung des Amtes für Soziale Dienste (AfSD) entsandt wurden. Das gerade erst neuorganisierte AfSD wurde damit erneut zur Baustelle; aus 12 wurden 6 Sozialzentren.

Kompetenzen unklar

Entscheidungskompetenzen und Mitbestimmungsfragen sowie die Rechtsstellung der über 200 Beschäftigten dieser „Dienststelle“ sind trotz eindeutiger Absichtserklärungen der Arbeitgeberseite unklar. Deshalb schloss der Personalrat des AfSD mit Unterstützung durch den Gesamtperso-nalrat eine Vereinbarung mit dem Senator für Arbeit über die Bildung der BAgIS ab, die zumindest die Schutzin-teressen der Kolleginnen und Kollegen absichert und einvernehmliche Ziele im Zusammenhang mit der Bildung dieser Organisationseinheit verabredet.
Dass Hilfen für die Leistungsem-pfängerInnen seit dem 1.1. ausgezahlt werden können, ist dem großen Engagement der Kolleginnen und Kollegen in der BAgIS zu verdanken, die durch Überstunden und Wochenendarbeit vor dem Jahreswechsel die notwendigen Umstellungsarbeiten realisiert haben, obwohl die von der Bundesagentur für Arbeit eingesetzte Technologie bis heute nur bedingt genutzt werden kann und auch genügend andere Anlässe für Ärger sorgten (z.B „Solidarpakt“, „Plan B“).
Der gegenwärtige Stand der BAgIS ist ernüchternd, und zwar sowohl für die MitarbeiterInnen als auch für die Adressaten ihrer Arbeit.

Hohe Fallzahlen verhindern intensive Beratung

Aufgrund der Fallzahlen können die Beratungsleistungen („Fördern“) kaum stattfinden. Vorbereitungszeiten, War-teschlangen, lange Bearbeitungszeiten und damit verbundene Rückstände, fehlende Schulungen etc. führen sowohl bei den Beschäftigten als auch bei den LeistungsempfängerInnen zu erheblichem Frust und zu inakzeptablen Verhältnissen zwischen BürgerInnen und Verwaltung. Auch die erforderliche Integration von Teilen der Kommunalverwaltung und der Verwaltung der BA (zentralistisch geführt) erscheint kaum durchführbar, weil hier nach Berichten der KollegInnen offenbar „verschiedene Welten“ aufeinanderstoßen. Es ist zweifelhaft, ob es sich hierbei um „Übergangsprobleme“ handelt; die bisherigen Erfahrungen zeigen eher die Folgen einer mit heißer Nadel gestrickten Organisationsstruktur auf. Das darf nicht zulasten der KollegInnen gehen.
Es muss im Interesse der Kommune und der BA liegen, dass die Organisa-tionsentwicklung, die Technologie sowie die Rahmen- und Arbeitsbedingun-gen für die Kolleginnen und Kollegen auf gesicherte Füße gestellt werden.

Burckhard Radtke