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Kürzen, ohne dass der Bürger es merkt?

Personalräteversammlung mit Jens Böhrnsen

Bild des Forderungspapiers für Bürgermeister Jens Böhrnsen
Schluss mit dem Personalabbau - diese Aufforderung wurde am Schluss der Personalrätekonferenz Bürgermeister Jens Böhrnsen mit auf den Weg gegeben

Säckeweise Probleme hatten 120 Personalräte, Frauenbeauftragte und Schwerbehindertenvertrauensleute zur Personalräteversammlung am 7. Oktober mitgebracht. Nur ein Teil davon, die handlicheren Päckchen, wurde abgeholt. Doch einen großen Berg ließ Bürgermeister Jens Böhrnsen liegen.Zwischen den hohen Qualitätsansprüchen an öffentliche Dienstleistungen, die SPD und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag formuliert haben, und der Kürzungspolitik - vor allem bei den Personalausgaben - gibt es einen eklatanten Widerspruch. Was dies in den unterschiedlichen Bereichen des bremischen öffentlichen Dienstes zur Folge hat, zeigten die Redebeiträge der Personalräte deutlich auf. Quer durch alle Bereiche ist die Arbeitsbelastung ohnehin schon hoch. Sie kann nicht nach Kassenlage ins Uferlose ausgeweitet werden, damit die BürgerInnen von der Kürzungspolitik nichts merken. Die Beschäftigten erleben aber, dass die Bürgerinnen und Bürger durchaus etwas merken: Sie machen ihrem Unmut über lange Wartezeiten und Bearbeitungsdauer Luft und treffen dabei die, die diese Missstände nicht zu verantworten haben. Quer durch alle Bereiche werden die Beschäftigten dann auch noch mit der Aussicht bedroht, dauerhaft von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt zu werden. Diese Probleme der KollegInnen vor Ort griff der Bürgermeister kaum auf. Stattdessen sprach er über die Notwendigkeit einer gerechteren Steuerpolitik und einer angemessenen Finanzausstattung für Länder und Gemeinden. Niemand hat ihm da widersprochen. Aber es war auch niemandem damit geholfen. Seinen guten Willen demonstrierte Jens Böhrnsen anhand einiger Einzelfragen, die inzwischen auch gelöst sind: Die Zwangsteilzeit für frisch ausgebildete Justizvollzugsbeamte wurde inzwischen abgewendet (siehe Artikel "Zwangsteilzeit abgewendet"). Auch für die Vermeidung von Nachteilen, die sich aus der neuerlichen Verlegung des Beförderungstermins ergeben könnten, setzte der Präsident des Senats eine Lösung durch. Abschließend gaben die Interessenvertretungen Jens Böhrnsen ihre Forderungen mit auf den Weg: Die Folgen der Kürzungspolitik dürfen nicht länger den Beschäftigten und ihren Vorgesetzten in die Schuhe geschobenwerden. Der Senat muss Farbe bekennen. Für öffentliche Dienstleistungen in guter Qualität, so die Interessenvertretungen, sind eine deutliche bessere Personalausstattung und gute Arbeitsbedingungen erforderlich. In dieser Hinsicht jedoch enttäuschte der Präsident des Senats: Er verteidigte erneut die Kürzungsvorhaben des Senats.

Doris Hülsmeier
Vorsitzende Gesamtpersonalrat Bremen
Burkhard Winsemann
wiss. Mitarbeiter Gesamtpersonalrat Bremen

Auszüge aus den Reden der Personalrätekonferenz

Personalräte und Personalrätinnen auf der Personalrätekonferenz
Die Personalräteversammlung am 7. Oktober 2011 war sehr gut besucht. Die Interessenvertretungen hatten einen Sack voll Probleme für den Bürgermeister mitgebracht

[FETTToren Christians Personalrat KiTa Bremen]

In der Personalversammlung am 1. April lobten der Bürgermeister und der Staatsrat KiTa Bremen als einen Vorzeigebetrieb des öffentlichen Dienstes. Heute scheint das alles nur ein Aprilscherz gewesen zu sein. KiTa Bremen soll in diesem Jahr rund 1 Mio. Euro weniger ausgeben als im Wirtschaftsplan veranschlagt, und nächstes Jahr soll eine weitere Million gekürzt werden. Da kommt die Qualität unter die Räder.

[FETTBernhard Esters Personalrat Umweltbetrieb Bremen]

Die Bürgerschaft hat durch die Verlagerung von Kompetenzen auf den Haushalts- und Finanzausschuss die Betriebsausschüsse praktisch ausgehebelt. Jetzt können nicht einmal Wirtschaftspläne für das nächste Jahr beschlossen werden, die für die Haushaltsaufstellung doch gebraucht werden. Für uns in den Eigenbetrieben ist es wichtig, dass es auch zukünftig Kontrollgremien gibt, in denen - wie in den bisherigen Betriebsausschüssen - Verwaltung, Bürgerschaft und Beschäftigte vertreten sind.

[FETTAndreas Strassemeier Personalrat Justizvollzugsanstalt]

Wir haben bis heute ca. 40 % unserer Stellen eingebüßt. Stetige Arbeitsverdichtung und steigende Arbeitsbelastungen sind die Folge. Seit Jahren gelingt es nicht mehr, den Berg von ca. 10000 Überstunden abzubauen. Die schwierige Arbeit mit den drogenabhängigen, gewalttätigen und verhaltensauffälligen Gefangenen soll mit immer weniger Personal durchgeführt werden. Weiteren Stellenabbau können wir nicht verkraften. Ihr macht tolle Vollzugsgesetze. Lasst die Kolleginnen und Kollegen nicht alleine! Zum 01.09.2011 wurden 18 Anwärter nur in Teilzeit übernommen. Dabei sieht das Beamtenrecht gar keine Zwangsteilzeit vor. Zu guter Letzt soll jetzt auch noch die Pensionsgrenze im allgemeinen Justizvollzugsdienst von 60 auf 62 Jahre angehoben werden. Ich sehe schon die 62-jährigen Kolleginnen und Kollegen im Alarmfall über das Anstaltsgelände laufen und wie sie sich mit jungen Gefangenen prügeln und sie in Verwahrzellen bringen! Wie soll das funktionieren? Nebenbei verkraften sie mal locker den Schichtdienst. Also mal ehrlich: Das geht gar nicht!

[FETTBurckhard Radtke Gesamtpersonalrat]

Beamtinnen und Beamte dürfen nicht weiterhin regelmäßig und dauerhaft zu zusätzlichen Opfern verdonnert werden. Sonst ist irgendwann die Motivation futsch. Und unmotivierte Beamtinnen und Beamte werden die viele Arbeit, die von ihnen erwartet wird, sicher nicht schaffen.

[FETTWinfried Noske Personalrat Finanzamt Bremen-Ost]

Das Geld liegt auf der Straße, wir in den Finanzämtern könnten es aufheben. Aber der Senat lässt uns nicht. Die Häufigeit von Betriebsprüfungen ist im letzten Jahr drastisch zurückgegangen. Wir brauchen dringend mehr Personal in der Steuerverwaltung und vor allem mehr Ausbildung. Betriebsprüfer wachsen nicht auf Bäumen.

[FETTDoris Hülsmeier Gesamtpersonalrat]

Das, was Bürgerinnen und Bürger, Gesellschaft und Politik vom öffentlichen Dienst erwarten, wird mehr und anspruchsvoller. Und das ist gut so. Nicht in Ordnung ist hingegen, dass uns gleichzeitig von der Politik die Grundlagen für gute Dienstleistungsarbeit immer weiter entzogen werden. Seit dreißig Jahren geht das schon so mit den immerwährenden Kürzungen. Und es wird noch schlimmer. Und als Dank? Für die Beschäftigten, die das alles leisten und abfedern sollen, vor allem für die Beamtinnen und Beamten, werden weitere erhebliche materielle Verschlechterungen vorgesehen.

[FETTLars Hartwig Personalrat Feuerwehr]

Die Bürger sollen nichts merken! Wahnsinn!! Aber weiß der Bremer Bürger eigentlich, dass bei der Feuerwehr in den letzen Jahren über 140 Stellen abgebaut wurden? Bei steigenden Einsatzzahlen? Nirgends darf man länger auf die Feuerwehr warten. Unsere Arbeitsbedingungen werden zunehmend schlechter. Ob die Erhöhung der Lebensarbeitszeit oder die Eigenbeteiligung bei der Freien Heilfürsorge, alles Besoldungskürzungen für die Kolleginnnen und Kollegen, die bei der Feuerwehr im letzten Jahr Mehrarbeit für 33 Vollzeitstellen geleistet haben. Wir bei der Feuerwehr, wir merken noch etwas und hoffen, dass die Politik auch noch etwas merkt.

[FETTGerhard Amenda Personalrat Hochschule Bremen]

Was nützt es den Hochschulen und der Universität, dass sie weiterhin ProfessorInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen - diese überwiegend prekär - von außen einstellen können, wenn das technische Fachpersonal für den Betrieb von Laboratorien nur intern eingestellt werden darf? In diesem Bereich gibt es keinen Überhang an Personal im bremischen öffentlichen Dienst.

[FETTPetra Lichtenberg Personalrat Schulen]

Bremen will eine Schulreform umsetzen, die in der Bundesrepublik einmalig ist: Alle Schülerinnen und Schüler, ob sie körperlich oder geistig beinträchtigt sind, ob sie Lernbehinderungen oder Verhaltensstörungen aufweisen, werden zusammen unterrichtet. Das ganze soll gewuppt werden nicht nur ohne mehr Geld, sondern mit weniger. Nennt der Senat das einen verantwortungsvollen Umgang mit Kindern und Jugendlichen, deren Zukunftschancen u. a. an einer guten Schulbidung hängen? Nennt der Senat das einen veranwortungsvollen Umgang mit Kindern mit körperlichen und geisigen Beeinträchtigungen? Mit Kindern aus bildungsfernen Schichten? Mit Kindern mit Migrationshintergrund? Nennt der Senat das einen verantwortungsvollen Umgang mit den Beschäftigten an Schulen, die darum kämpfen, ihren Aufgaben und ihrer Verantwortung unter diesen Bedingungen gerecht werden zu können?

[FETTWolfgang Klamand Personalrat Amt für Soziale Dienste]

Bei jedem Zusammentreffen passiert dasselbe - der Bürgermeister verweist auf das kleine Bremen gegen große "Weltpolitik", das kleine Rad im Getriebe, die Abhängigkeit, den fehlenden Spielraum. Diese Versammlung hier ist jedoch kein Ritual. Ich gehe davon aus, dass wir ernst genommen werden. Ein paar zentrale Punkte, die das Klima im Amt beschreiben: Die schleppende Stellenbesetzung als bewusstes finanzpolitisches Handlungskonzept führt zu unerträglichen Personallücken. Die Bezahlung im ambulanten Dienst steht in keinem angemessenen Verhältnis zur Verantwortung. Wenig wertschätzende Bezahlung, schleppende Stellenbesetzung, lange Befristung, hohe Arbeitsverdichtung verbunden mit wenig Zeit und hochkomplexer Aufgabenstellung führen zu Wegbewerbungen von vorwiegend jungen KollegInnen innerhalb der ersten drei Jahre. Innovation geht damit verloren. Insgesamt ist das Klima schlecht und die KollegInnen schäumen. Wir sind gewillt, den Bürgermeister zu unterstützen. Wir haben eine große Stadthalle. Ich bin sicher, 14.000 KollegInnen werden dort gerne helfen.

[FETTRainer Kuhn ver.di]

ver.di ist nach wie vor der Meinung, dass die Einführung der Schuldenbremse ins Grundgesetz ein falscher Weg war und ist. An dieser Stelle begrüßen wir aber die deutlichen Aufträge der Koalition an den Senat, für sozial verträgliche Steuererhöhungen, vor allem durch eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen einzutreten. Gleichzeitig soll auf Kosten der Beschäftigten der Haushalt Bremens saniert werden. Der geplante Stellenabbau führt zwangsläufig zu einem deutlichen Qualitätsverlust von Dienstleistungen. Beispiele dafür gibt es schon jetzt genug. Für die Beschäftigten heißt das Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Demotivation, Beschimpfungen am Arbeitsplatz wegen langer Warteschlangen und Bearbeitungsdauern, aber auch im persönlichen Umfeld. In der Koalitionsvereinbarung heißt es: "betriebsbedingte Kündigungen schließen wir aus". - Dann können wir das ja in einem Tarifvertrag festhalten!