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Ausgenutzt!

LeiharbeiterIn ohne Einstiegschancen

Zeichen für anonyme Person - grauer Kopf mit Fragezeichen -
Das dritte Interview in unserer Reihe "Prekäre Beschäftigungsverhältnisse im bremischen öffentlichen Dienst" mussten wir wieder anonymisieren - aus Angst des/der Beschäftigten vor nachteiligen Auswirkungen

Arbeitsspitzen, Termindruck, Unsicherheit, ob ein Arbeitsplatz dauerhaft eingerichtet werden soll - dies sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einrichtung von Leiharbeitsplätzen. Tatsächlich aber wird der Einsatz von Leiharbeitskräften in der privaten Wirtschaft, aber auch im öffentlichen Sektor "ausgenutzt". Ein großer Teil von Leiharbeitsverhältnissen ersetzt und gefährdet inzwischen reguläre Beschäftigungsverhältnisse.
Ein/e KollegIn, die/der in einem Leiharbeitsverhältnis in einer Dienststelle im bremischen öffentlichen Dienst beschäftigt ist, berichtet uns etwas über ihre/seine Situation:
"Ich möchte meine Identität, meine Tätigkeit und meine Dienststelle nicht bekannt geben. Ich fürchte, dass sich dieses Interview nachteilig auf eine weitere Beschäftigung auswirken könnte.
Ich bin bereits einige Jahre in einem Leiharbeitsverhältnis im bremischen öffentlichen Dienst tätig. Als diese Stelle in einem internen Ausschreibungsverfahren nicht besetzt werden konnte, wurde eine Leiharbeitsfirma beauftragt, jemanden für die Aufgabe zu finden. Ich wurde von der Zeitarbeitsfirma benannt. Ich werde aber zwei Stufen geringer bezahlt als intern ausgeschrieben wurde. Außerdem ist meine Kündigungsfrist bei der Zeitarbeitsfirma deutlich schlechter.
Ich erhielt keine Möglichkeiten, an Fortbildungen teilzunehmen und hatte keine Zeit zur Einarbeitung. Es ist mir durch viel Engagement gelungen, umfangreiche Kenntnisse über das Arbeitsgebiet zu bekommen und viele Kontakte zu Kooperationspartnern aufzubauen. Ich fühle mich inzwischen fachlich sehr sicher. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Ich bekomme viele positive Rückmeldungen.
Meine Tätigkeit trägt erheblich zur Senkung der Ausgaben im bremischen Haushalt bei. Obwohl dies durch meinen Vorgesetzten belegt worden ist, führt das nicht dazu, meine Stelle dauerhaft zu besetzen. Selbst eine Weiterbewilligung ist sehr fraglich. Die Hausspitze lehnt dies aktuell ab und verweist auf die Haushaltslage. Für mich ist das völlig unverständlich. Die Arbeit macht so großen Sinn. Und ich hätte noch so viele gute Ideen.
Für mich ist meine berufliche und finanzielle Situation sehr frustrierend. Ich habe große Angst, nicht bleiben zu können. Meine finanzielle Situation ist dadurch völlig ungewiss. Ich kann mit meiner Familie keine festen Planungen machen. Sollte ich nicht weiterbeschäftigt werden, werden wir innerhalb kürzester Zeit mit Leistungen des SGB II auskommen müssen.
Auf interne Stellenausschreibungen - und das sind der größte Teil - darf ich mich nicht bewerben. Das ist sehr schade, da ich mir viele Kompetenzen erworben habe, die ich auch auf anderen Arbeitsplätzen einbringen könnte. Motivieren kann ich mich zur Zeit nur dadurch, dass ich die ganze Situation verdränge.
Ich denke, dass allen Leiharbeitskräften viel größere Möglichkeiten zu einem beruflichen Einstieg gegeben werden sollten. Meine gute und engagierte Arbeit wird gerne dankend angenommen. Eine dauerhafte Perspektive wird mir, wie auch dem Großteil der prekär Beschäftigten, verweigert. Gerade bei der Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes kann dies doch nicht gewollt sein."

Aufgeschrieben von
Burckhard Radtke