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Mitbestimmung ist ein wichtiges Führungsinstrument

"Wir lösen gemeinsam Probleme!"

Porträt von Hans-Henning Lühr, Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen
Hans-Henning Lühr - Dienstältester Finanzstaatssekretär/-rat in Deutschland - Foto: privat

Eine politische Klarstellung vorab: Mitbestimmung ist ein in der Verfassung verankerter Bestandteil unseres demokratischen politischen Systems in Bremen.
Insoweit bedarf es keiner Beschwörung und Klarstellung, dass Mitbestimmung politisch gewollt und sinnvoll ist. Es ist auch praktisch im Management öffentlicher Dienste machbar. Das kann ich auch als Praktiker vorbehaltlos bestätigen!
Gleichwohl gibt es immer wieder kritische Stimmen über das Bremische Personalvertretungsgesetz und die Personalräte.
Wenn der ideologische Nebel über den politischen Stammtischen verzogen ist, bleiben in der Tat einige praktische Probleme, die gelöst werden müssen. Dabei geht es um das Grundverständnis der Mitbestimmung.
Dazu einige Anmerkungen von mir:
Die Situation des öffentlichen Dienstes ist durch folgendes gekennzeichnet: Die Arbeitsbelastung ist durch gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie Armut und Flucht, fehlendes Personal und eine oft fehlende gezielte IT-Unterstützung vor Ort erheblich gestiegen. Dadurch entsteht ein immenser Außendruck auf den öffentlichen Dienst. Die Digitalisierung wird zudem die Arbeitsprozesse und Kommunikation erheblich verändern. Arbeit 4.0 ist mehr als eine neue Version des Betriebssystems öffentlicher Dienste.
Daraus ergeben sich vielschichtige Konflikte, diffuse Ängste, Unsicherheiten und unterschiedliche Betroffenheiten. Es ist daher notwendig, diese Auswirkungen zu erkennen und eine genaue Analyse der (zum Teil auch unterschiedlichen) Interessen der Betroffenen vorzunehmen. Diese Einschätzungen müssen dann auch bei der Konfliktlösung kommuniziert und in die Lösung einbezogen werden. Das verhindert eine formale Zuspitzung und ermöglicht differenzierte Kompromisse. Konflikte auszutragen ist keine Kindergeburtstagsfeier. Es kann durchaus auch Verhärtungen und Zuspitzungen geben. Grundlage muss allerdings immer die gegenseitige Wertschätzung sein. "Nachtreten" und taktische Fouls sind nicht nur beim Fußball falsch!
Wenn die "Zukunft durch öffentliche Dienste" als Umsetzung der Leitidee vom demokratischen Rechts- und Sozialstaat gewährleistet werden soll, setzt dies ein gemeinsames Arbeiten von Amtsleitungen und Personalräten an Lösungen voraus. Das sind die politischen Rahmenbedingungen für eine Mitbestimmung als Prozess.
Veränderungen der öffentlichen Dienste entwickeln sich in Prozessen. Klassische Mitbestimmung ist eher am Einzelfall bzw. an Maßnahmen orientiert. Dieses Spannungsverhältnis muss aufgelöst werden. Der Gesamtpersonalrat und die Senatorin für Finanzen haben dazu die "Dienstvereinbarung über Grundsätze und Verfahren der Beschäftigtenbeteiligung bei Organisationsentwicklungsprozessen" abgeschlossen. Darin sind ausdrücklich "Gütekriterien" für beteiligungsorientierte Projektarbeit festgelegt. Es wird sichergestellt, dass die Beschäftigten in den Organisationsentwicklungsprozess eingebunden werden. Sie sollen "Subjekt" und nicht "Objekt" der Veränderung sein. Sozialverträgliche Beschäftigtenbeteiligung ist mehr als ein Beipackzettel für bittere Medizin.
Beide Seiten müssen lernen, in einem Veränderungsprozess die einzelnen Schritte der Veränderung auswirkungs- und interessenorientiert zu begleiten. In der Praxis hat sich bewährt, "Regelungsabsprachen" über Verfahren und Inhalte zu treffen.

Zeichnung Mann führt eine Marionette an der Hand
Management nach Gutsherrenart ist also der falsche Weg. (Zeichnung von Hans-Henning Lühr)

Künftige Führungskräfte müssen noch besser auf ihre Aufgabe im Management öffentlicher Dienste vorbereitet werden. Mitbestimmung darf dabei nicht als "Hindernis" (höflicherweise: "als schwierige Rahmenbedingungen") bei Entscheidungs- und Veränderungsprozessen bei der Führungskräfte-Qualifizierung und -entwicklung eingeführt werden. Vielmehr muss Mitbestimmung als institutionalisierte Konfliktlösung im Prozess begriffen und eingeführt werden.
Management nach Gutsherrenart ist hier also der falsche Weg. Bei gegenseitiger Wertschätzung müssen partizipative Verfahren der Kommunikation und Kooperation im Gesamtprozess Vorrang haben. Nicht mehr: Wir haben für jede Lösung ein Problem! Sondern: Wir lösen gemeinsam Probleme!
Ich maße mir nicht an, "Anforderungsprofile" für Personalräte und Interessenvertretungen zu definieren.
Ich freue mich allerdings immer, wenn neben der oft kleinteiligen Alltagsarbeit auch die Perspektiven leistungsfähiger, bevölkerungsorientierter öffentlicher Dienste bei fairen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen Grundverständnis der Verhandlungen sind.

Henning Lühr