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Sozial, gerecht und kämpferisch

Was Solidarität und Gewerkschaft gemeinsam haben

Doris Hülsmeier ist seit Beginn ihrer Ausbildung 1977 gewerkschaftlich organisiert

Solidarität?! Das ist für mich: sich zusammen einsetzen für Verbesserungen. Gewerkschaft. Für mich ist meine Gewerkschaft der Inbegriff von Solidarität. Sich gemeinsam einsetzen für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Sich im Betrieb, überbetrieblich und in der Gesellschaft für eine gerechte Gesellschaft und ein friedliches Zusammenleben stark machen. Über den eigenen Tellerrand schauen. Sich gegenseitig unterstützen, auch über Grenzen und Kontinente hinweg. Stark sein. Macht entfalten.
Gewerkschaft, das heißt für mich, wir schließen uns zusammen und sind damit gegenüber unserem Arbeitgeber stärker und machtvoller, als würden wir ihm allein gegenüberstehen. Gewerkschaft ist eine Gemeinschaft, die sich für ihre Mitglieder einsetzt - für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für Menschenwürde, für Gerechtigkeit. All das, was wir heute für selbstverständlich halten, wie zum Beispiel bezahlter sechswöchiger Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, unsere festgelegte Arbeitszeit, das haben Gewerkschaftsmitglieder erkämpft. Dennoch engagieren sich immer weniger Menschen im öffentlichen Dienst in Gewerkschaften

Engagiert dagegenhalten

Tarif- und Besoldungsauseinandersetzungen finden aber immer noch statt. Nachdem der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in den Jahren 2005 und 2006 von den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst und der Länder (TVöD und TV-L) abgelöst wurde, geht es um dringend erforderliche Verbesserungen. Aber auch viele andere Probleme von aktiven und ehemaligen Beschäftigten, wie die zunehmende Arbeitsbelastung, die Beschneidung öffentlicher Dienstleistungen, die sinkenden Renten, die wachsende Ungleichheit erfordern ein starkes solidarisches Engagement und starke Gewerkschaften, um dagegenzuhalten.

Reiche werden reicher, Arme werde ärmer

Eine große Mehrheit in Deutschland beklagt die steigende Ungleichheit zwischen Arm und Reich. Hohe Vermögen und Einkommen wachsen. Niedrige und mittlere Einkommen bleiben zurück. Steuern und Sozialbeiträge sind Instrumente des Staates, um nachträglich umzuverteilen und öffentliche Dienstleistungen, Infrastruktur und Sozialleistungen zu finanzieren. Der deutsche Staat nutzt dieses Instrument allerdings in immer geringerem Maße: Seit Ende der 1990er Jahre wurden die Steuern für Unternehmen und hohe Einkommen gesenkt, die Vermögensteuer abgeschafft und die Arbeitgeber bei den Sozialausgaben entlastet. Gleichzeitig steigen die Gewinne der Unternehmen, die mit Ausgliederungen die Löhne drücken. Die Konsequenz: Der Anteil an Haushalten mit Niedrigeinkommen stieg von 6,5 auf 8 Prozent, während der Anteil von Haushalten mit hohen Einkommen von 10,5 auf 14,2 Prozent stieg. Die Reichen werden immer reicher und spiegelverkehrt werden die Armen immer ärmer. Das ist nicht solidarisch. Eine stärkere steuerliche und sozialstaatliche Umverteilung und eine konsequente Bekämpfung von Steuerhinterziehung, das wäre solidarisch. Starke Schultern können mehr tragen.
Aber sind wir Beschäftigte nicht auch selbst schuld an der Ungleichheit, wie Zacharias Zacharakis in Zeit Online fragt? Arbeitnehmer_innen könnten einfach mehr verlangen, legt er dar. Sinnvoll wäre das, denn seit Jahren steigen die Löhne der Beschäftigten in Deutschland (plus 48 Prozent) deutlich langsamer als die Gewinne der Unternehmen und die Einkommen aus Vermögen (plus 67 Prozent). Doch vielfach sind die Beschäftigten nicht mehr in Gewerkschaften organisiert, es sind nur noch 20 Prozent gegenüber 40 Prozent Anfang der 90er Jahre. Der Trend geht zur Entsolidarisierung, jede_r kämpft für sich allein. Wer soll da die Forderungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen durchsetzen? Streikfragen sind Machtfragen. Ohne Gewerkschaften haben wir Beschäftigten keine Macht. Damit befördern wir letztlich selbst eine Ungleichheit, die den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet.

Ungleichheit bekämpfen

Noch mehr Ungleichheit - das spielt denen in die Hände, die immer weiter an der Hassspirale drehen und damit das gesellschaftliche Klima vergiften. Die selbsternannten „Alternativen“ attackieren lautstark unsere liberale Republik, Muslime, Flüchtlinge. Dahinter verbergen sie ein Programm voller Angriffe auf Beschäftigte und Erwerbslose. Soziale Sicherheit abbauen, den Staat zurückfahren, die Steuern senken: Damit bedienen diese "Alternativen“ die Interessen der Arbeitgeber, der Unternehmen und der Vermögenden und entpuppen sich als Parteigänger für eine noch größere Ungleichheit. Zu den Interessen der Beschäftigten steht das in krassem Widerspruch.
Ich wünsche mir hingegen wieder mehr gewerkschaftliche Macht, um die Interessen der Beschäftigten besser durchsetzen zu können. Unsere Gewerkschaften arbeiten ständig daran, attraktiv für Mitglieder zu sein. Natürlich habe ich manchmal etwas auszusetzen, aber trotzdem: Ich finde, meine Gewerkschaft ist richtig cool. Und solidarisch.

Doris Hülsmeier