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Koalition im Kürzungsrausch

BürgerInnen und Beschäftigte als Verlierer
Seit Ende Januar ist offiziell, was ohnehin schon alle wussten: Der „Kanzlerbrief“ ist fast nichts wert. Eine tragende Säule der bisherigen bremischen Haushalts- und Finanzplanung ist zerbröselt. Eingeplant waren mehr als 500 Mio. Euro jährlich über einen nicht genau definierten Zeitraum, herausgekommen sind nun einmalige Bundeshilfen für bestimmte Investitionsvorhaben, die rund 200 Mio. Euro ausmachen sollen.
Damit sieht sich nun auch der Senat genötigt, das ohnehin unrealistische Ziel eines verfassungskonformen Haushalts für 2005 aufzugeben.
Neues Zauberwort: Ausgeglichener Primärsaldo
Das neue Zauberwort der bremischen Haushaltspolitik heißt „ausgeglichener Primärsaldo“. Dieser soll bis 2009 erreicht werden. Was heißt ausgeglichener Primärsaldo? Die Einnahmen decken die Ausgaben - bis auf die Zinsen. Da der Schuldenberg aber weiter wächst, erreichen die Zinszahlungen nach aktuellen Planungen 2009 über 700 Mio. Euro, 19% der Ausgaben des bremischen Haushalts (2004: 12%).
Unter Federführung von Finanzsenator Nußbaum haben sich Senat und Koalitionsparteien mit großem Tatendrang daran gemacht, neue Kürzungen und Streichungen zu ersinnen, mit denen das Ziel erreicht werden soll. Unter Federführung desselben Finanzsenators, der am 26. Mai 2004 noch erklärt hatte, dass „weiteres überdurchschnittliches Sparen (...) die Funktionsfähigkeit Bremens als Stadtstaat und damit als Großstadt gefährden“ würde, werden nun Streichorgien vorbereitet, die alles Bisherige in den Schatten stellen.

Beschäftigte im Visier

Noch weit stärker als bei der Haushaltsaufstellung für 2004/05 haben sie dabei die Beschäftigten ins Visier genommen. Bis 2009 sollen im Personalhaushalt nochmals 139 Mio. Euro gekürzt werden, durch weiteren Personalabbau und noch drastischere Einschnitte bei der Bezahlung (Einzelheiten siehe Kasten). Gegenüber 2003 beliefen sich die Kürzungen dann auf fast ein Sechstel des Personalhaushalts.
Bei den sonstigen konsumtiven Ausgaben werden zwar nominell nicht mehr so dramatische Sparbeiträge gefordert wie in den Doppelhaushalten 2004 und 2005. Der erste Blick täuscht allerdings darüber hinweg, dass dabei als Ausgangsniveau die Haushaltseckwerte des Jahres 2005 zugrunde gelegt werden. Da die aber wie schon 2004 verfehlt werden, wird ein Nachtragshaushalt notwendig. Faktisch werden deshalb die sonstigen konsumtiven Ausgaben im Durchschnitt um über 2% pro Jahr sinken müssen, möglicher-weise sogar um über 3%, wenn sich die vermuteten Haushaltsentlastungen durch Hartz IV nicht einstellen. Zum Vergleich: 2004 sind die sonstigen konsumtiven Ausgaben gegenüber 2003 noch deutlich gestiegen. Die umfangreichen Kürzungen haben nicht einmal ausgereicht, um zwingende Mehrausgaben in einzelnen kostenträchtigen Bereichen aufzufangen. Auch für die Zukunft gibt es keine Anzeichen, dass dieser Trend gebrochen werden könnte. Bei vielen der jetzt beschlossenen bzw. anvisierten Maßnahmen wird zudem eine Einsparwirkung nur behauptet, ohne dass es nähere konzeptionelle Überlegungen gäbe, die dies untermauerten.
Bremen hat ein Einnahmeproblem
Ohne deutlich verbesserte Steuereinnahmen wird Bremen bei der Haushaltssanierung keinen Millimeter vorankommen. Die jetzige Finanzplanung ist ein erneuter Versuch der Koalition, die Haushaltslage schönzufärben und sich darum herumzudrücken, für mehr Steuereinnahmen insgesamt und deren gerechtere Verteilung einzutreten. Stattdessen wird ein Luftschloss namens „ausgeglichener Primärsaldo“ aufgebaut, mit dem BürgerInnen und Beschäftigte genötigt werden sollen, ihre berechtigten Ansprüche an hochwertige öffentliche Dienste und an eine angemessene Bezahlung dafür zurückzustellen.

Burkhard Winsemann

Koalitionsbeschlüsse: Kürzungen im Personalbereich

Der größte Teil der Einsparungen im Personalbereich soll wie schon bisher mit der Fortschreibung des Personalabbaus und mit Eingriffen in die Bezahlung der Beschäftigten erreicht werden.
- Beim Personalabbau wird die Strategie insofern modifiziert, dass die jährlich zu erbringenden Kürzungsquoten (PEP-Quoten) von bisher 2,5% auf 1,7% (2006) bzw. 1,3% ab 2007 reduziert werden, dafür aber grundsätzlich für alle gültig sind. Bisher waren wichtige Bereiche (z.B: Schulen, Polizei, KTH, Feuerwehr), die mehr als die Hälfte des Kernpersonalhaushalts ausmachen, vom PEP ausgenommen.
- Darüber hinaus sollen vermeintliche Personalüberhänge, die mit ca. 100 Vollzeitäquivalenten angegeben werden, abgebaut werden. U.a. in der Bildungsbehörde und bei der Polizei sind besondere Kürzungsmaßnah-men geplant.
- Mit einem konzernweiten Arbeitsmarkt sollen darüber hinaus auch in den ausgegliederten Bereichen Neueinstellungen vermieden werden.
- Die Personalräte sollen durch eine Änderung der Freistellungsregelungen herangezogen werden. Finanziell ist das nahezu bedeutungslos - im Vordergrund stehen ideologische Motive und die Abstrafung für eine engagierte Arbeit für die Interessen der KollegInnen und Kollegen, die von der Arbeitgeberseite naturgemäß auch mal als störend empfunden wird.
- Entstehende personelle Lücken will man offenbar zur Not auch mit Langzeitarbeitslosen in 1-Euro-Jobs füllen, so z.B. in den Schulen.
- Bei der Bezahlung hält der Senat weiterhin an seiner Absicht fest, mit einem so genannten „Solidarpakt“ 17 Mio. Euro einzusparen. Nachdem bisher immer davon die Rede war, dies durch längerfristige Nullrunden zu erreichen, könnte der Senat diesen Punkt durch einen Beitritt zum TVöD weitgehend erledigen.
- Das Weihnachtsgeld für die BeamtInnen will der Senat fast völlig streichen. Übrig bleiben soll nur noch ein fester Betrag von 420 Euro für die BeamtInnen bis zur Besoldungsgruppe A 8. Neueingestellte sollen auch dieses Restweihnachtsgeld erst nach drei Jahren erhalten.
- Aufgrund der im September 2004 beschlossenen personalwirtschaft-lichen Rahmensetzungen („Plan B“) gilt dies entsprechend auch für Angestellte, deren Verträge nach der Kündigung des Tarifvertrags über die Zuwendungen geändert wurden. Seit-her Neueingestellte gehen ohnehin leer aus.
- Auch bei den ArbeitnehmerInnen will der Senat weiterhin die Sonderzahlungen absenken. Nicht ganz klar ist nach den Beschlüssen, ob das derzeit für die BeamtInnen geltende oder das ab 2006 angestrebte Niveau (s.o.) erreicht werden soll.